Blumen auf einem frischen Grab

Gelb und Weiß auf dunkler Erde. Farbe gegen Vergessen. Leben für die, die gegangen sind.

Das Grab ist neu.

Man sieht es an der Erde, die noch nicht gesetzt hat. An den Rändern, die zu präzise sind. An der Abwesenheit von Moos, von Gras, von der Zeit, die Wunden heilt, indem sie sie überwuchert.

Und dann: diese Blumen.

Gelbe Rosen. Weiße Rosen. Leuchtend, fast zu lebendig für diesen Ort. Sie liegen da wie ein Versprechen, wie eine Erinnerung, wie ein Aufschrei gegen das Endgültige.

Jemand war hier. Heute vielleicht. Gestern. Vor ein paar Stunden. Hat diese Blumen ausgesucht – mit Bedacht, mit Liebe, mit zitternden Händen vielleicht. Hat sie hierher getragen, auf diesen Fleck Erde, unter dem jemand liegt, den sie vermissen.

Die Blumen wissen nichts davon.

Sie blühen einfach. Geben ihre Farben, ihren Duft, ihre ganze Schönheit – gleichgültig gegenüber Trauer und Tod. Sie sind Leben in seiner reinsten Form. Bedingungslos. Ohne Fragen.

Und vielleicht ist genau das der Punkt.

Vielleicht bringen wir Blumen auf Gräber nicht trotz ihrer Vergänglichkeit, sondern wegen ihr. Weil sie uns daran erinnern: Leben blüht. Auch wenn es vergeht. Gerade weil es vergeht.

Diese Rosen werden welken. In ein paar Tagen werden ihre Blütenblätter braun sein, ihre Köpfe hängen, ihr Leuchten verschwunden. Wie alles Leben vergeht.

Aber jetzt – in diesem Moment – sind sie vollkommen.

Vollkommen schön. Vollkommen gegenwärtig. Vollkommen lebendig.

Und das ist die Botschaft, die wir den Toten bringen: Schau, wie schön es war. Wie sehr wir Dich geliebt haben. Wie sehr Du fehlst – so sehr, dass wir Dir das Schönste bringen, was wir haben. Farbe. Duft. Leben.

Frische Blumen auf einem frischen Grab.

Ein Widerspruch. Eine Hoffnung. Eine Liebe, die stärker ist als der Tod.

Nicht weil sie ihn aufhält. Sondern weil sie trotzdem da ist. Leuchtend gelb und rein weiß gegen die dunkle Erde.

Leben für die, die gegangen sind.