
Welt am Draht
Es ist nur Licht. Kein Tod, keine Explosion, kein Drama. Nur Licht, das keine acht Minuten braucht.
Der Wolframdraht glüht. 2700 Grad Celsius. Eine Sonne im Miniaturformat, gefangen in Glas. Die Kamera starrt hinein, sucht den Moment zwischen Moment. Das Flimmern, das Pulsieren, das Atmen des Lichts.



Immer dieselbe Birne. Edison E27, 60 Watt, klares Glas. Immer ein anderes Bild.
Was die Kamera sieht, sehen unsere Augen nie. Die Wendel wird zur Kalligraphie aus Feuer. Orange Schlieren tanzen wo keine sind. Plasma-Geister, geboren aus Überbelichtung und langen Verschlusszeiten. Die Hitze malt Muster in die Luft, die Physik wird sichtbar.
Von vorne: perfekte Symmetrie, die Wendel wie eine glühende DNA-Helix. Von der Seite: Schichten aus Licht, übereinander, durcheinander. Von unten: ein Blick in einen Reaktor aus Licht.
Es ist die Welt am Draht, wie wir sie nie sehen. Keine acht Minuten Reisezeit wie das Sonnenlicht. Diese Sonne ist sofort da, direkt, ungefiltert. Der Draht ist die Welt. Eine Welt aus Wolfram, die ihr eigenes Licht gebiert.


Kein Ende. Kein Anfang. Nur dieser ewige Moment des Glühens. Die Kamera als Zeuge einer stillen Sonne.
Welt am Draht. Keine acht Minuten entfernt.